Richard Bargel Live with Major Heuser & Band (2010)
Meyer Records No. 168; 180g Dolp; Mastered For Lp By Hendrik Pauler @ Stockfisch Records
Tracks: 01. Double Dirty Mother (4:33) 02. Last One In The Row (5:133) 03. Bad Bad Whiskey (7:22) 04. Doing Time "Bochum Prison Blues" (4:37) 05. Empire State Express (5:28) 06. Losing Hand (10:01) 07. In The Pines (4:14) 08. There's A Man Going Around Taken Names (4:26) 09. What's The Matter Now (4:13) 10. The Family (5:57) 11. Anytime You Want (11:36)
Line-up: Richard Bargel (vocals, dobro, acoustic guitar) Klaus 'Major' Heuser (electric guitars) Sascha Delbrouck (electric & acoustic bass) Marcus Rieck (drums)
Richard Bargel habe ich zum ersten Mal vor etwa 35 Jahren bei einem sonntäglichen Blues-Frühschoppen in dem Bonner Kneipen-Bistro-Café Pendel erlebt. In seiner und meiner Heimatstadt (ehrlich gesagt: Als er im heutigen Stadtbezirk Bad Godesberg geboren wurde, gehörte dieser noch nicht zu Bonn) war es damals doch noch exotisch, Blues aus deutschen Landen aufgetischt zu bekommen. Schon damals beeindruckten mich sein Umgang mit der Slide-Gitarre und insbesondere seine metallene Dobro. Seither habe ich den mittlerweile nach Köln umgezogenen und nach mehreren Auslandsaufenthalten dort wieder lebenden Musiker (sowie Schriftsteller, Zeichner und Sprecher) immer wieder erlebt. Dennoch war ich Anfang diesen Jahres überrascht, als ich (leider erst nachträglich) von einem Konzert, gemeinsam mit dem ehemaligen BAP-Gitarristen Klaus 'Major' Heuser im Bonner Pantheon erfuhr, was mich jedoch spontan zu ersten Recherchen veranlasste. Die beiden Gitarristen haben sich bereits im Dezember 2008 bei einer Talkshow in der Bonner Kulturkneipe Harmonie getroffen, dort spontan gemeinsam gejammt und dabei festgestellt, dass sie eine Seelen-Verwandtschaft verbindet, nämlich die auf gleichem Musikverständnis basierende Liebe zum Blues. Seitdem treten die beiden regelmäßig zusammen in der näheren und weiteren Umgebung von Köln unter dem Namen Richard Bargel & Klaus 'Major' Heuser: Men In Blues - Legends In Concert auf. Und jetzt ist kürzlich aufgrund entsprechender Nachfrage die erste gemeinsame CD erschienen. Gemeinsame CD? Nach der Vorgeschichte verwundert es schon, dass die Scheibe als CD von Richard Bargel veröffentlicht wird und der 'Major' lediglich im Untertitel zum Album genannt wird. Eine Erklärung hierfür findet sich auch nicht auf der gemeinsamen Homepage.*
Vielleicht ist dies aber darin begründet, dass das verarbeitete Song-Material, soweit es sich nicht um Fremdkompositionen handelt, aus der Feder von Bargel stammt bzw. von ihm überarbeitet wurde, und damit ein Zeichen dafür, wer in dieser Beziehung musikalisch 'das Sagen hat'. In einem auf YouTube veröffentlichten Video bezeichnet Bargel den 'Major' - wenn auch scherzhaft - als seinen 'Fahrer'. Nichtsdestotrotz: Musikalisch erscheinen beide Musiker gleichberechtigt, und der Charme ihrer Songs liegt insbesondere in dem Wechselspiel ihrer beider Gitarren. Begleitet werden sie von Sascha Delbrouck am E- und Kontrabass sowie Marcus Rieck an den Drums; beide unspektakulär, dafür solide im Hintergrund wirkend, bereiten sie den beiden Protagonisten das Feld, damit diese es bestellen können. Leider wird ihnen keine Möglichkeit gegeben, ihr Können durch eigene Soli zu dokumentieren.
Los geht es mit einem klassischen 12-Takter aus der Feder des US-amerikanischen Blues-Pianisten Roosevelt Sykes, das im Original entsprechend instrumentiert ist. Bargels Dobro hingegen versetzt einen direkt in die Baumwollfelder der Südstaaten. Gewöhnungsbedürftig ist allerdings die Stimme von Bargel - höher, als man eigentlich von einem Blues-Sänger erwarten würde, zudem leicht nasal, dennoch hörenswert. Mit dem Einsatz der 'Elektrischen' vom 'Major' wird direkt deutlich, was den Hörer vorliegend erwartet:
In flottem Tempo folgt die erste Eigenkomposition, "Last One In The Row". Bargels praktizierter Sprechgesang zeigt deutlich, dass er oftmals als Schauspieler bzw. Sprecher und Erzähler auftritt. Heuser hält sich zunächst zurück, bis er plötzlich im instrumentellen Mittelteil seine flinken Finger über die Saiten sausen läßt, was ihm einen ersten Szenenapplaus einbringt.
"Bad Bad Whiskey", ein Uralt-Titel aus der Feder von Maxwell & Adelina Davis, ist eigentlich bekannt in einer Boogie-lastigen Version von Amos Milburn aus den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Hier kommt das Ganze - insbesondere aufgrund des rauchigen Gesangs von Bargel - sehr an den guten alten Tom Waits heran. Wer sich zudem das von der die vorliegende Scheibe produzierenden Plattenfirma auf YouTube eingestellte Video anschaut, ist überzeugt, dass Bargel seine persönlichen Erfahrungen verarbeitet (er war einige Zeit alkoholkrank). Der düstere Gesamteindruck des Songs wird immer dann etwas aufgelockert, wenn Heuser solistisch brillieren kann.
"Doing Time" - eine Eigenkomposition von Richard Bargel, die extra für einen Auftritt im Bochumer Gefängnis (vor geschlossener Gesellschaft!) entstanden ist, ist ein wunderschöner Slow-Blues, in dem Bargel auf melancholische Weise einen Häftling die Zeit seines Einsitzens beschreiben lässt, ohne dass er Hoffnung für die Zeit danach hat. Das stimmt schon nachdenklich! Entsprechend melancholisch kommt der Song daher.
Es folgt "Empire State Express", der Son House-Song über den legendären ersten Hochgeschwindigkeitszug, der im Jahr 1891 die 700 km lange Strecke zwischen New York und Buffalo mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 100 km (!) bei einer gemessenen Spitzengeschwindigkeit von 130 km (!) zurücklegte. Diese Leistung ist es fürwahr wert, besungen zu werden. Doch wie anders klingt die vorliegende Version im Vergleich zu der Interpretation von Richie Arndt auf seinen "Train Stories", obwohl beide Titel - wie das Original - stilprägend auf der Dobro gespielt werden. Während Richies Gesang klar zu verstehen ist, sind bei Richard Bargel die Worte manchmal kaum zu verstehen, zumal sein 'Express' wesentlich schneller daher rollt. Und als dieser endgültig Fahrt aufgenommen und die Stadt verlassen hat, schlägt der 'Major' zu: Er zaubert auf seiner Elektrischen eine Improvisation dahin, dass man den Zug im Geiste über die endlosen Weiten dahingleiten sieht, wobei das Tempo eher an einen ICE erinnert; Szenenapplaus ist ihm zu Recht gewährt!
Das nachfolgende "Losing Hard", eine Charles Calhoun-Komposition, ist ein klassischer Slow-Blues in Moll und der erste Track, der - einschließlich Applaus - die 10-Minuten-Grenze sprengt. Minimalistisch arrangiert - die Gitarren 'klimpern' so vor sich hin - plätschert der Song, ohne allerdings angesichts der prägnanten Stimme von Bargel eintönig, geschweige denn langweilig zu werden, so dahin, bis nach etwa sieben Minuten die E-Gitarre vom ‚Major' das Kommando übernimmt: sie gibt die Melodie vor und improvisiert darüber mit - im Verhältnis zum sonstigen Stil - 'Brachialgewalt', bevor der Track mit dem intensiven Gesang Bargels zu Ende gebracht wird.
Stimmungswechsel, aber kein Stilwechsel: Das von Bargel überarbeitete Traditional "In The Pines" kommt flott daher mit klassischen Riffs, bevor mit "There's A Man Going Around Taken Names" der Schritt zum Country-Blues gegangen wird. Ähnlich auch "What's The Matter Now", das sehr nach Mark Knopfler in dessen After-Dire Straits-Phase erinnert. Dasselbe kann man auch zu "The Family" sagen, so dass - trotz der Eigenständigkeit beider Songs - eine gewisse Langeweile droht.
Doch dieser Gefahr wird eindrucksvoll entgegengewirkt mit dem mit 11 Minuten (+ Schlussapplaus) längsten Stück der Scheibe, dem Slow-Blues "Anytime You Want", das den Abschluss bildet. Richard Bargel erzählt und zählt auf, was ein total verliebter Mann seiner Liebsten erlaubt, ihm alles anzutun, wenn sie ihn denn nur lieben möge; all das mache ihm nichts aus. Von daher hätte der Song auch "Nothing Matters Anyhow" heißen können; die Schlussfolgerung, die Bargel am Ende jeder Strophe zieht. Im von ihm eingeleiteten instrumentalen Mittelteil erhält Heuser nochmals ausgiebig Gelegenheit, seine Elektrische aufheulen zu lassen, und im Geiste denkt man unwillkürlich darüber nach, was man selbst seiner Liebsten alles gestatten würde; einiges hiervon findet sich im wieder vokalen Schlussteil! Auch wenn Richard Bargel bei dieser Scheibe offenbar 'das Sagen' hatte, mir gefallen die Songs insbesondere dann, wenn Klaus Heuser, der 'Major', Gelegenheit bekommt, sein Verständnis vom Blues eigenständig vorzutragen. Doch auch das Zusammenspiel der Beiden zeitigt in ihrer Gegensätzlichkeit eine Intensität, die die Scheibe aus vielen anderen hervorhebt.
'Kölsch-Blues' ist eine ganz besondere Marke! Quelle:Jürgen Hauß
* Nachtrag (12. Juni 2010) Bezüglich des von mir eingangs hinterfragten Titels der CD hat mir Richard Bargel nach Veröffentlichung des Reviews folgende Informationen geschickt:
»Die CD war schon geplant, bevor ich mit Klaus Heuser zu spielen begann. Als Solo-Projekt sogar - und zwar aufgenommen in der JVA in Bochum. Sie sollte mein erstes LIVE-Album werden, anlässlich meines 40-jährigen Bühnenju-biläums. Als Klaus Heuser und ich dann Ende letzten Jahres beschlossen gemeinsame Konzerte zu geben, fragte ich ihn, ob er nicht auf der CD auch mitmachen wollte. Er wollte und wir kamen überein, fortan alles gemeinsam zu machen. Die Aufnahmen waren zu dem Zeitpunkt noch als Duo geplant - aber nicht in der JVA Bochum (schwierige Verhältnisse) sondern im Theater der Keller in Köln. Dann kam schließlich noch die Band dazu, und wir beschlossen, diese mit in die Aufnahmen einzubeziehen. So ist zu verstehen, warum die CD diesen Titel trägt. Für die nächsten Produktionen werden wir dann gemeinsame Songs schreiben und komponieren und sie unter beider Namen herausbringen.«
Übrigens: Die CD ist für den Preis der Deutschen Schallplattenkritik nominiert worden. Auch dies sagt einiges über die Qualität des Produkts!
Günni53
"Blues ist mehr als nur Musik. Blues is mehr als ein Lebensgefühl. Solange es Menschen auf der Welt gibt, wird es den Blues geben. Ihn mit Gleichgesinnten zu teilen, ist ein Geschenk." (Crazy Chris Kramer)
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