Ein Hobby wird zur Berufung: Man nehme Pink Floyd-Songs, destilliere sie bis auf ihre Grundstruktur, verpasse ihnen ein Blues-, Southern- sowie Jam-Outfit und fertig ist die Rezeptur für einen Live-Doppeldecker der allerfeinsten Sortierung.
Matt Abts (Gov't Mule), Marc Ford (Black Crowes), Johnny Neel (Ex-Allman Brothers Band), Berry Oakley Jr. und der inwischen verstorbene Mule-Gründer Allen Woody, nennen ihr 'Nebenprojekt' Blue Floyd und tauchen mit "Begins" in eine noch nicht gehörte musikalische Pink Floyd-Welt ein, die einen nicht loslässt.
Schon der Opener "Shine On You Crazy Diamond" hört sich galaktisch an. Zunächst Johnny Neels dramatisches Keyboard-Intro, danach ein klasse Gitarren-Part und dann sind wir schon in medias res. Marc Ford bestimmt den Sound mit seinem Arbeitsgerät und wird gefolgt von Neel an der Blues-Harp. Welch ein Fest und Ohrenschmaus!
Blue Floyd bewegen sich in der Pink Floyd-Historie hin und her.
Man greift auch ganz tief in die Kiste. Nach einer überschwänglich Blues-rockenden Version von "Have A Cigar", in der Ford mit seiner markigen Stimme singt und ein Power-Riff nach dem anderen abgefeuert wird sowie eine verzerrte Gitarre muskulös sägt und Neel leicht angejazzt auf den Tasten unterwegs ist, geht es noch weiter zurück in die Vergangenheit, denn jetzt folgt "Fearless" vom Album "Meddle".
Dieser Track ist mit Slide-Gitarre gespickt und kommt Southern-rockig daher. Neel lässt abermals am Mississippi-Saxofon aufhorchen und liefert direkt danach eine kurze Keyboard-Überleitung zurück zum Fearless-Refrain. Herrlich, wie es den Musikern gelingt, stets kleine Versatzstücke einzubauen, die das Song-Thema variieren. Bottleneck-getriebene Gitarre am Anfang und auch am Ende. Es kann einem tatsächlich Angst und Bange werden, wenn die ersten drei Nummern schon so großartig sind.
Was soll da wohl noch kommen?
Z.B. der nächste Longtrack: "Interstellar Overdrive - Wish You Were Here", initiiert durch ein Hendrix-Riffing, unterlegt mit einem knüppelharten Bass schwebt man in "Wish You Were Here" Jam-Sphären mit Harp, fett angerührter Gitarre, verschiedenartigen Keyboard-Sounds und einer straighten Rhythmus-Abteilung. So etwas muss man gehört haben!
Nach Matt Abts beeindruckendem Drum-Solo kann der geneigte Hörer nur noch den Hut ziehen und sich symbolisch vor diesem zehnminütigen Alleingang verbeugen.
Letztlich kommen noch weitere zwei Minuten drauf, denn so viel Zeit verstreicht, bis sich die anderen Blue Floyder auf Samtpfoten in "Set The Controls For The Heart Of The Sun" einmischen. Himmel noch mal, bauten die jetzt eine fast infernalische Dynamik auf, die sich erst in den letzten Sekunden wieder beruhigt. Mit einem relativ kurzen Zitat von "Hey You" bietet "Another Brick In The Wall Pt. 2" eine vierzehnminütige brillante Interpretation dieses Songs. Ford singt den Refrain mit veränderter Akzentuierung und der Chor-Gesang kommt ebenfalls sehr gut rüber. Die Nummer entwickelt sich zu einem richtigen Blues-Shuffle, überlagert von Gitarre und Keyboards, die sich zunächst duellieren, um dann in eine 'Call-and-Response-Phase' einzutreten. Am Ende lässt man den Track, unter Double-Bass-Gewittern laut und heftig ausklingen.
Es folgt noch über eine Stunde Musik, wenn die zweite CD in den Schacht des Players wandert.
Die Kombination aus "In The Flesh - Sheep" steht an und der Hörer lässt sich ohne Probleme und gerne von dem Gebotenen entführen in fast rundum neu zu entdeckende Pink Floyd-Schöpfungen.
Das Juwel unter all den Edelsteinen ist "Money".
Welch ein Groove! Welch ein Swing! Neel greift nochmals zur Harp und es Blues-groovt ohne Ende. Nach einem klasse Solo am 6-Saiter wird wieder gejammt. Erstaunlich, man gibt der Nummer auch einige jazzige Farbtupfer und Johnny lässt seine Orgel aufheulen. Zwölf Minuten Vollbedienung!
Mit "Us & Them" kehrt Ruhe ein. Durchatmen!
Jedoch nicht lange, denn die verbleibenden zehn Minuten sind ein weiteres Jam-Festival für die Ohren und Gefühle des Hörers. Jetzt ist großes Theater angesagt!
In den Bonus-Tracks macht Blue Floyd selbst vor anderen Größen des Musik-Business nicht Halt.
Die Beatles werden mit "Beatjam - Come Together" und dem von George Harrison geschriebenen "Taxman" verarbeitet. Selbst hier gibt es keine Problemzonen.
"Begins" ist eine Hammer-Doppelscheiblette, die nicht anders als mit 9 von 10 RockTimes-Uhren bewertet werden kann und in ihrer Art neue Maßstäbe des Interpretierens von hinlänglich bekannten Songs der Band Pink Floyd setzt.
Puh, ein gewaltiges Live-Werk, das Blue Floyd da abliefern und man kann nur inständig hoffen, dass es in Zukunft noch mehr davon gibt, denn Blues'n'Jam-Material des Quintetts ist zur Genüge vorhanden… .
Line-up:
Matt Abts (drums, percussion)
Marc Ford (guitar, vocals)
Johnny Neel (keyboards, harp, vocals)
Berry Oakley Jr. (bass, vocals)
Allen Woody (bass, mandolin, 12-string guitar, steel guitar, vocals)
Slick Aguilar (guitar, vocals - CD 2 on Beatjam)