Mitch Kashmar- Wake Up & Worry
(Delta Groove/Fenn, 47:33)

Die erste CD dieses Harpspielers, Sängers und Songschreibers aus Kalifornien war im letzten Jahr eine der großen Überraschungen und erntete völlig zu Recht eine Nominierung bei den Blues Music Awards und reihenweise beste Kritiken (auch von mir in bluesnews Nr. 43). Kashmar tauchte Anfang der 90er mit seiner Band The Pontiax auf, wirkte auf Platten von Jimmy Morello, King Ernest, Mike Morgan und Rob Rio mit und veröffentlichte eine CD mit Little Walter-Covers, bevor er zu Delta Groove kam. Jetzt legt er die 2. CD für das schnell etablierte Label von Produzent Randy Chortkoff vor - und "Wake Up & Worry" ist mindestens ebenso gut, wenn nicht noch besser als "Nickels & Dimes". Kashmar hat den West-Coast-Retro-Sound aus dem Effeff raus, singt ausgezeichnet, hat die entsprechenden Leute hinter sich (u. a. Junior Watson und Rusty Zinn an der Gitarre, Fred Kaplan am Klavier, Rick Reed am Bass und Richard Innes an den Drums) und schreibt (hier 7 an der Zahl) musikalisch wie textlich gleichermaßen interessante Songs. Und sein Harpspiel hat das gewisse Etwas. Wenn er Little Walter covert (wie hier auf den authentisch reproduzierten, nicht allzu oft gespielten 60er-Jahre-Titeln "Dead Presidents" und "Up The Line"), dann macht er das mit Respekt und Können, und auf seinen eigenen Sachen spielt er traditionell verwurzelt und gleichzeitig virtuos - aber mit einer Virtuosität, die sich nicht in schneller-höher-weiter äußert, sondern in einer täuschenden Relaxtheit, die dem Nicht-Harpspieler/-experten wohl erst beim zweiten Hören offenbart, wie ausgefuchst die gerade so locker dahergekommenen Licks sind. Meisterhaft. Hinzu kommt die Vielseitigkeit des Materials: klassischer Chicago-Blues, ein traditioneller akustischer Ausflug (mit interessanter Rhythmik), Funky-Soul-Jazz-Sound, klassischer R&B (das durch Johnny "Guitar" Watson bekannte "Half Pint-A-Whiskey", auf dem Junior Watson eins seiner tollen, erdigen, aber doch leicht abgedrehten Soli spielt) - und sogar einen humorvollen Rhumba. Besonders an der chromatischen Mundharmonika hat mich Mitch Kashmar hier mit seiner Verbindung von klassischem Sound und jazziger Phrasierung begeistert. Zusammen mit der tollen Band und dem exquisiten, von Doug Messenger analog eingefangenen und gemixten Sound hat mich diese CD noch mehr begeistert als die vorige und ist jetzt schon ein sicherer Anwärter auf die Top-5-Liste des Jahres - schade, dass sie schon nach 47 1/2 Minuten vorbei ist. Nachdem Delta Groove/Randy Chortkoff für "Road To Rio" von den Hollywood Blue Flames schon eine aufreizende Dame fürs Cover auswählte, kriegt Mitch Kashmar für diese CD gleich drei leicht beschürzte Mädels fürs Cover (und einige kleine Booklet-Fotos) spendiert - und darf sogar noch mit aufs Bild. Bleibt zu hoffen, dass er sich bald keine Sorgen mehr über die Mahnschreiben machen muss, die das Foto in den entsprechenden Kontext bringen: Kashmar hat jeden Erfolg verdient, den das Blues-Business zu bieten hat. (Klaus Kilian,)

Gruß
Remi